Der Glaube an mich…
Eine sehr geschätzte Kollegin hat mich kürzlich um ein Psycho-Coaching gebeten. Sie schrieb mir, dass sie einen Herzenspatienten hätte, der mit einem Kreuzbandriss operiert werden sollte. Bei der OP-Vorbereitung war die Leber auffällig und es besteht nun der Verdacht auf einen Lebertumor.
Als sie den Patienten übernommen hat, war er insgesamt nicht gut drauf, hatte dauerhaft Schmerzen und Probleme mit dem Bewegungsapparat. Im Laufe der Behandlung ist der Patient schnell besser geworden und war wie ausgewechselt. Er wurde viel fröhlicher, fast schon ein anderer und seine Besitzer waren glücklich und haben den Hund weiterhin regelmäßig von meiner Kollegin betreuen lassen.
Und jetzt ist die Kollegin am Boden, weil sie der Gedanke quält, dass sie den Hund doch viel besser hätte aufstellen müssen. Wenn sie nur ordentlich gearbeitet hätte, wäre es nie zu einem Kreuzbandriss und schon gar nicht zu einem Lebertumor (nur nebenbei, wir sprechen hier noch über einen Verdacht) gekommen. Und überhaupt, sie erzählt immer, dass TCM sich hervorragend zur Gesunderhaltung eignet und nun so etwas. Das hätte sie doch fühlen müssen. Und wenn sie das alles weder fühlt noch vorhersieht, dann ist sie mindestens minderwertig und eigentlich unwürdig, auf die Menschheit und ihre Haustiere losgelassen zu werden.
Mein erster Impuls…wahnsinnig toller Impuls für ein einfühlsames Psycho-Coaching…Himmel hilf, nimm dich nicht so wichtig. Hast du ernsthaft geglaubt, dass du Jesus bist, dir bei Gelegenheit Gras aus den Taschen wächst und du dich demnächst auf den Weg über den Bodensee machst, wohlgemerkt zu Fuß!
Die Kollegin hat großartige Arbeit geleistet. Besitzer und Hund waren mehr als fröhlich und zufrieden. Ich weiß nicht, ob ich es mir zu einfach mache (und wenn, wäre es auch meins), aber wenn ich behandele, versuche ich den Patienten in eine Balance zu bringen, und zwar eine Balance, die er momentan verkraften kann, halten kann. Ich versuche nie, nun ja selten…und wenn ich es versuche, falle ich prompt auf die Nase…also ich versuche nie, dem Patienten etwas aufzuzwingen, weil mein therapeutischer Ehrgeiz mir sagt, dass das jetzt weg muss oder hin muss oder wie auch immer.
Ich bin wie eine Flugbegleiterin. Ich versuche selbstverständlich, meinem Fluggast alle Wünsche von den Lippen abzulesen. Ich versuche zu wissen, was er braucht, bevor er das selber weiß. Dabei hilft die TCM als Behandlungsform ganz enorm. Man muss dazu sagen, dass es durchaus möglich ist, mit der Pulsdiagnostik Imbalancen lange bevor sie sich zu einem strukturellen Schaden auswachsen, wahrzunehmen. Aber und jetzt kommt es: Ich kann nur das aufnehmen, mit dem ich in Resonanz gehen kann. Das heißt, dass ich manches eventuell nicht wahrnehme oder mir der Patient manches nicht auf den Tisch legt, weil es eben momentan nicht wichtig ist.
Zurück zu dem Hund… wenn wir uns jetzt mal ohne jede „oh Gott wie schrecklich, ein Tumor“-Emotion anschauen, was für einen Hund wichtig ist… Hmmmm… Moment, könnte es wohl sein, dass ein Hund total drauf steht, laufen zu können und das bitte weitestgehend schmerzfrei. Weil wer nicht laufen kann, kann nicht jagen und verhungert. Nun ja, könnte man einwenden, er ist doch Haushund, da bekommt er doch was zu essen und Jagen ist eh total out. Wir wissen das, aber wissen die Zellen des Hundes das auch? Und selbst wenn, vielleicht wäre es ihm auch dann wichtiger, bis an sein Lebensende halbwegs ordentlich laufen zu können. Wer weiß das schon?
Was ich damit sagen will, behandeln ist ein Miteinander, keine Einbahnstraße. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich unsere Tiere, genau wie wir, ein Leben aussuchen, mit all seinen Höhen und Tiefen. Dass sie selbst entscheiden, was für sie wichtig ist und was eben nicht.
Vielleicht noch ein kleiner TCM-Exkurs… die Probleme des Hundepatienten gehören weitestgehend in die gleiche Ecke… also die Probleme im Bewegungsapparat und der jetzt eventuell! vorliegende Tumor… das heißt, dass die Kollegin nie falsch lag.
Was mache ich jetzt mit meinem Psychocoaching… Hmmmm… ich bleibe dabei… Nimm Dich nicht so wichtig, du bist nicht Jesus und noch wächst Dir kein Gras aus den Taschen ;-)
Glaub an Dich unter Anerkennung dessen, was möglich ist und was eben nicht.
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