Manchmal treiben mich Themen um, die nur schwer zu vermitteln sind.
Das hindert mich nicht daran, darüber zu reden. Es auszuposaunen, zu versuchen in geistigen Austausch zu treten. Nicht immer sind die Themen partytauglich...oder vielleicht doch...grade! Auf dem 50sten Geburtstag einer Freundin, habe ich einem Ihrer Bekannten ein halbstündiges Gespräch über‘s Sterben aufgezwungen. Was soll ich sagen...ich hatte Spaß!
Durch reichlich persönliche und auch berufliche Erfahrung mit dem Tod, mit langsamem und schnellem Sterben, durfte und darf ich mich immer wieder damit auseinander setzen. Menschen und ihre Tiere auf dem Weg begleiten. Und es ist, ausser wenn es sich um einen sehr plötzlichen Tod handelt, ein Weg. Ein Weg, den ich immer, ganz wundervoll finde. Wie der Körper sich vorbereitet das ringt mir grösste Begeisterung ab. Wann beginnt dieser Weg? Ich kann diese Frage nur für mich beantworten. Ich sehe es meinen Patienten an. Sie bekommen meistens etwas abgeklärtes, zufriedenes, egal wie desolat ihr körperlicher Zustand ist. Sehr häufig kann man diesen Zustand als Außenstehender leichter erkennen. Der emotionale Abstand hilft.
Der Moment, wo ich versuche den Patientenbesitzern zu vermitteln, dass es nicht mehr um Heilung geht, sondern um Begleitung. Dass alles Wollen und therapeutischer Ehrgeiz absolut hinter den Bedürfnissen des Patienten zurück stehen. Sterbebegleitung ist anstrengend. Körperlich und emotional. Aber wenn es einem gelingt, dass Wunder in dem Weg zu erkennen, dann kann es eine unfassbar bereichernde Erfahrung sein.
Es ist wichtig zu verstehen, dass die Phasen des Sterbens keinen pathologischen Prozess darstellen, sondern eher einen gesunden und normalen Teil des Sterbens, der für den Patienten wünschenswert und notwendig ist. Gerade im Veterinärbereich, wo die Möglichkeit der Euthanasie besteht, wünschte ich mir manchmal, dass Sterben mehr Raum bekommt und nicht unter dem Aspekt der Leidensvermeidung weitestgehend verhindert wird.
In der TCM gibt es die Ansicht, dass der Weg eines gesunden Lebens bis zum Tod einem bestimmten Verlauf innerhalb der fünf Wandlungsphasen folgt. Dieser Weg kann in jeder der 5 Wandlungsphasen seinen Anfang nehmen und die Pathologie manifestiert sich zuerst über den umgekehrten Sheng-Zyklus, dann zweimal über den Ko-Zyklus und schließlich wieder über den umgekehrten Sheng-Zyklus, worauf der Tod folgt. Eine genaue Kenntnis dieses Zyklus hilft dem Therapeuten einerseits diesen aufhalten zu können, aber auch zu erkennen, dass ab einem bestimmten Punkt nur noch Begleitung gefragt ist
In einem meiner Lieblingsbücher „Leitfaden Chinesische Medizin“ von Claudia Focks (Urban & Fischer) gibt es ein Kapitel über Sterbebegleitung, dass unbedingt empfehlenswert ist. Ich weiß, dass meine Begeisterung für den Prozess des Sterbens befremdlich wirken kann, vielleicht auch herzlos, aber ich empfinde das nicht als herzlos. Im Gegenteil, ich hege große Bewunderung für Sterbende und würde mir für jeden wünschen, dass er seine letzte Reise, egal wie lange sie dauert, in seinem Tempo und zu seinen Bedingungen gehen kann
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